Mittwoch, 27. August 2014

Gürtel Nightwalk IV, Wien 25.08.2001

(Rezension aus 2001)

Zunächst einige einführende Worte für alle Nichtwiener: Wenn man in Wien vom Gürtel spricht, meint man in erster Linie nicht das Accessoire, das einem davor bewahrt, die Hosen zu verlieren, sondern Wiens größte innerstädtische Verbindungssstraße oder aber auch Wiens führende Amüsiermeile, weshalb die an den Gürtel grenzenden Wiener Gemeindebezirke nicht wirklich als noble Wohnbezirke gelten. Deshalb hat man in den letzten Jahren verstärkt versucht, das Image dieser Bezirke etwas aufzupolieren. Eines der wichtigsten dementsprechenden Maßnahmen war die Revitalisierung der viaduktähnlichen ehemaligen Stadtbahnbögen, auf denen jetzt die U6 unterwegs ist und die früher großteils als Warenlager oder Werkstätten genutzt wurden. Mittlerweile etablierte sich dort dank namhafter Lokale mit Auftrittsmöglichkeiten wie dem Chelsea oder B 72 eine lebhafte Beislszene, die offenbar dafür verantwortlich war, daß sich das Bild des durchschnittlichen Gürtelbesuchers vom rotlichtsüchtigen Nachtschwärmer zum niveauvollen Musikfan gewandelt hat.

Mit dem Nightwalk, der mittlerweile zum 4. Male veranstaltet wurde, hat man auch heuer wieder versucht, mittels eines vielschichtigen Kulturangebots all jene, die bislang einen weiten Bogen um die Gürtellokale gemacht haben, dorthin zu locken. Diesem Lockangebot konnte ich heuer nicht wiederstehen, sollten doch unter anderem keine geringeren als die Rucki Zucki Palmencombo, die dank ihres Fernwehklassikers "Südseeträume" aus dem Jahr 1982 einen nicht unbeachtlichen Bekanntheitsgrad unter Wunschkonzerthörern und Wickie, Slime & Paiper-Fans erlangt haben als auch die überaus talentierte Linzer Formation Shy aufspielen.

Dank der verkehrsgünstigen Lage aller Nightwalk-Lokalitäten an der U6 sollte es an und für sich kein Problem sein, die selbigen zu finden. Als etwas schwierig erwies sich allerdings für den ortsunkundigen Schreiber dieser Zeilen die Suche nach der Grundsteingasse 15, wo sich ein Kulturzentrum befindet und die Rucki Zucki Palmencombo ab 19.00 aufspielen sollte, denn dank einiger offenbar auch nicht wirklich ortskundiger, aber dafür umso hilfsbereiter Passanten machte ich unfreiwillig eine kurze Sightseeingtour durch Ottakring, dem eine kräftige Imagepolitur sicherlich auch gut tun würde.

Nach einigen Irrwegen fand ich endlich doch noch die Grundsteingasse und bald auch die dazugehörige Nummer 15, erfuhr aber dort, daß sich der Auftritt der Rucki Zucki Palmencombo auf 20.00 verschieben würde. Zum Überbrücken der Wartezeit pilgerte ich zum nahegelegenen Chelsea, wo ich die Vorbereitungen der Wiener Popformation Echophonic die es mittlerweile zu einiger FM4-Prominenz gebracht hat, vor ihrem Auftritt gespannt verfolgte und mir nebenbei ein wohlverdientes Bier genehmigte.

Kurz vor 20.00 betrat ich wiederum die Räumlichkeiten der Grundsteingasse 15 und war einigermaßen überrascht, daß das Konzert nicht etwa in einer Halle, sondern in einem Raum, der maximal die Maße einer Fertigteilgarage hatte, stattfand und dem Publikumsansturm von rund 30 Personen gerade noch gewachsen war. Unter diesen Zuschauermassen dürften nicht Wenige gewesen sein, die sich von der Rucki Zucki Palmencombo nur „Südseeträume" und vielleicht ein paar peinliche bis überflüssige 50er-Reminiszenzen erwartet hatten, aber das in der klassischen Rock’n’Roll-Besetzung mit Gitarre/Bass/Schlagzeug und zwischenzeitlichen Mundharmonikaintermezzos groß aufspielende Dreier dachte nicht im geringsten daran, sich mit derartigen Belanglosigkeiten zufriedenzugeben und überraschte mit einer durchaus mitreißenden Show, bei der die Spielfreude des dynamischen Trios deutlich spürbar war und die sich eine größere Zuschauerkulisse verdient hätte. Einziger Wermutstropfen war die Tatsache, daß Ronnie Urini, seines Zeichens Originalschlagzeuger der Rucki Zucki Palmencombo und Urgestein der österreichischen Undergroundszene, leider nicht mit von der Partie war, aber er wurde äußerst kompetent von einem mir unbekannten Sonnenbrillenträger vertreten.

Repertoiremäßig beschränkte man sich nicht auf die von ihren 3 Singlehits bekannten Titel "Mann im Mond", "I kann di net vergessen" und natürlich "Südseeträume", sondern spielte eine Reihe von zumindest mir unbekannten, aber großteils perfekt ins Programm passenden Songs und überraschte sowohl mit einer Coverversion von Freddy Quinn’s unvergeßlichen Schmachtfetzen „Heimatlos" als auch einer auf den ersten Blick nicht erkennbare Verdeutschung von Elvis Presley’s „Heartbreak Hotel".

Nachdem nach knapp einer Stunde der letzte Ton verklungen war, hätte ich natürlich noch gerne mit den Bandmitgliedern über etwaige Zukunftspläne wie neue Platte, Tour etc. geplaudert, aber bedingt durch die zeitliche Verschiebung war es mittlerweile nach 21.00 und ich wollte noch etwas von Shy hören, die bereits um 20.30 vor dem B 72 zu spielen begonnen hatten

Also nix wie hin zur U-Bahnstation, untermalt von Echophonic, die kurz davor vorm Chelsea zu spielen begonnen hatten und mit der U6 ab Richtung B 72, dessen Name sich übrigens nicht weiter überraschend vom Stadbahnbogen Nr. 72 ableitet. Dort erhaschte ich leider nur mehr 3 Songs von Shy, aber es schien, als hätten sie bis zu meinem Eintreffen mit 3 ihrer besten Stücke auf mich gewartet, nämlich ihre aktuelle Single „Mr. Sunset", den Leider-Nicht-Klassiker „Kein Mann auf dem Mond" und schließlich ihre WG-Hymne „Frühstück für Slacker".

Damit war der Zauber auch schon wieder vorbei und es war absolut nachvollziehbar, warum Shy sich mit Zugaben zurückhielten. Das Ambiente war nämlich alles andere als motivierend für ernsthafte Musiker, denn es herrschte keine Konzert-, sondern Bierzeltatmosphäre, da ab der 4. Heurigenbankreihe von der Bühne entfernt politisiert wurde oder man sich über andere belanglose Dinge unterhielt, als Shy zu lauschen, die eigens „mit großer Besetzung" aufgetreten waren.

Da im B 72 nun ein DJ-Set folgen sollte und ich mir lieber Livemusik zu Gemüte führen wollte, wechselte ich den Schauplatz und wurde schon bald von den rauhen Klängen des Soulklassiker „Mustang Sally", der vor rund einem Jahrzehnt durch den Kinokassenschlager „The Commitments" reanimiert wurde, ins Cafe Carina gelockt. In dieser auch nicht gerade weitläufigen Lokalität waren die mir bis dato unbekannten Heanoisa Grantbriada, laut Pressetext „im Auftrog des Rockn Roi untawegs - Schlußendli is der Rockn Roi in Heanois auf'd Wöd kumman" (Für alle, denen der Wiener Dialekt nicht geläufig ist: „Im Auftrag des Rock'n'Roll unterwegs sind, schließlich habe der Rock’n’Roll seine Ursprung in Hernals", was natürlich nicht historisch belegbar ist), am Werk und das überraschend gut.

Als illegitime Söhne der Blues Brothers überzeugten die 5 zornigen Hernalser Brüder mit einer fulminanten Rhythm & Blues-Show, welche die Blues Brothers Revuen, die immer wieder durch die Lande ziehen, stimmungsmäßig und musikalisch eindeutig verblassen ließen. Gemäß dem bewährten Blues Brothers-Muster spielte der in der Besetzung Gitarre/Baß/Saxophon/Schlagzeug/Keyboard auftretende Brüder-Fünfer, dessen Bassist und Keyboarder für die Vokalparts verantwortlich waren, altgediente Rock & Soulklassiker, die allesamt live eine sichere Bank für gute Stimmung sind:„Suzy Q", „Papa Was A Rolling Stone", „Smoke On The Water", „Whole Lotta Love", „Sweet Home Alabama", „Unchain My Heart", „You Can Leave Your Hat On", bei dem stilgerecht ein Hut für freiwillige Spenden herumgereicht wurde, das unvermeidliche „Minnie The Moocher" und als abschließende Zugabe James Brown’s „I Got You - I Feel Good".

Das entfesselte Publikum im überfüllten Cafe Carina wollte die Heanoisa Grantbriada zunächst gar nicht mehr von der als Bühne verwendeten rund 10 m² großen Tanzfläche lassen, aber die Ankündigung, das nun eine weitere Formation folgen sollte, die ähnliche Euphorie verursachen sollte, glättete die Wogen der fast orgiastischen Begeisterung wieder. Laut Programmablauf sollte das die Fenzl Experience sein, die allerdings kurzfristig durch eine exotisch klingende Kombo namens Peko Lo Mania ersetzt worden war. Nach längerem Soundcheck und einigen technischen Problemen verwandelte sich deren stimmliches und optisches Aushängeschild, die zierliche Japanerin Tomoko "Peko" Toyoshima, die zuvor noch schüchtern und nervös die Umbauarbeiten und die Behebung der technischen Probleme verfolgte, in eine japanische Souldiva. Wäre Tomoko’s Landsfrau Yoko Ono gesanglich nur halbwegs so talentiert gewesen, hätte ihre Solokarriere vermutlich einen gänzlich anderen Verlauf genommen.

Aber nicht nur die Stimme überraschte, sondern auch die gut ausgewogene Auswahl der Coverversionen:„Moving On Up" (M’People), Kiss (Prince), „Word Up" (Cameo), „Baby I Love You" (Aretha Franklin), „Play That Funky Music" (Wild Cherry), „Smooth" (Santana), ein James Bond-Special, in dem „Goldeneye" und „Goldfinger",eingebettet waren und „Free Your Mind" (En Vogue) vermochten selbst die anspruchsvollsten Soul & Funkfans zu begeistern.

Als Zugabe wagte sich Tomoko und die gut eingespielte Backingband sogar über „Geh davon aus" von den Söhnen Mannheims, schreckte nicht vor Carole Kings "You’ve Got A Friend" zurück und beschloß den Auftritt mit „I Got You - I Feel Good", was vielen nicht nur ein akustisches Déjà Vu bescherte, sondern auch am Besten das Gefühl dieser lauen Sommernacht ausdrückte.

Sonntag, 24. August 2014

"They Say I Was In Wiesen But I Can`t Remember" - Two Days A Week 2004 in Wiesen, 24.-26. August 2004

Exklusiv für noize.cc:







(Rezension aus 2004)

Die "Sendung ohne Namen", eines der wenigen wirklichen Highlights im ORF-Programm, das nach dem Verlust der Fußballlizenzen die unverschämten Gebühren rechtfertigt, stellte kürzlich im Zuge eines Rückblicks auf das nicht gerade vom Wetterglück verfolgte Frequency Festival unter anderem die Frage, warum man sich eigentlich den Stress eines Festivals und die damit verbundenen bestens bekannten widrigen Umstände antut. Für den erfahrenen Festivalbesucher stellt sich diese Überlegung natürlich längst nicht mehr und schon gar nicht, wenn es um Wiesen geht, denn neben dem immer verlockenden Line-Ups gibt es auch jede Menge anderer Gründe, um eine Pilgerfahrt  in die burgenländische Erdbeermetropole auf sich zu nehmen, etwa simple, aber einfach unverzichtbare kulinarische Köstlichkeiten (man denke an Dukatenchips oder Feuerflecken) oder einfach die Tatsache, dass ein Großteil des Publikumsbereichs fix und beinahe kathedralenhaft überdacht ist, weshalb man Wiesen ohne weiteres als Mariazell (für alle Nichtösis: bekannter österreichischer Wallfahrtsort) des österreichischen Festivalzirkus betrachten kann. Eine gewisse religiöse Komponente konnte man übrigens beim Two Days A Week  2004 nicht leugnen, aber dazu später.

Tag 1 -  Dienstag, 24.08.2004

Wer am Nachmittag des ersten Festivaltages nicht gerade immer noch auf der Anreise war, ob freiwillig oder unfreiwillig (wie etwa jene Festivalbesucherin, die sich im Zug nach Wiesen wähnte, sich aber in jenem nach  nach Bruck/Leitha wiederfand), sich dem Aufstellen des Zeltes widmete oder eigentlich nur auf Bloodhound Gang, Velvet Revolver oder Offspring fixiert war wurde damit bestraft, die durchwegs überzeugenden Gigs eines aus Guadalajara, The Bronx, Sommerset, Destillers, Flogging Molly und Dropkick Murphy bestehenden hochkarätigen Ska-/Punkrockgroßaufgebots versäumt zu haben. Speziell Letztere konnten begeisterten, schließlich bekam hier äußerst authentisch den Sound der Pogues zu hören, zahlreiche Fans durften auf der Bühne die Show mitgestalten und als krönenden Abschluß wurde ein Cover des Pogues-Weihnachtsklassikers "Fairytale of New York" mit einer in jeder Hinsicht beeindruckenden Gastvokalistin serviert.

Beeindruckendes gibt es auch von der Bloodhound Gang berichten, allerdings eher am anderen Ende der Geschmacksskala. Auch hier wie zuvor bei Dropkick Murphy rege Publikumsbeteiligung, etwa als Jimmy Pop zunächst einen speziellen Fingerzeig von den Fans verlangte oder speziell im Zuge einer von ihm initierten Spukorgie, die von einigen Fans in den ersten Reihen kräftig unterstützt wurde, von den Aussagen über Polen und Russen, zu denen Jimmy das Publikum animierte und bei politisch wachsamen Zeitgenossen möglicherweise Befremden ausgelöst haben, erst gar nicht zu reden. Ok, die Bloodhound Gang soll ja schon schlimmeres auf der Bühne getrieben haben, aber so manchem BHG-Debutanten blieb hier sicher die Spucke weg.

Ach ja, Musik gab es auch und die hatte tatsächlich hohen Unterhaltungswert als auch erhöhten Mitgröhlfaktor. Klassiker wie "Fire Water Burn", "The Ballad of Chasey Lain", "The Bad Touch" oder "Along Comes Mary" legten die Basis für zahllose heisere Kehlen an den Folgetagen.  Einen nicht unbeträchtlichen Beitrag dazu lieferte das clever gewählte Cover von Outkasts "Hey Ya!", dem sich keiner entziehen konnte und für Wer-ist-die-lautere-Publikumshälfte-Kontest genutzt wurde.

Derartigen Publikumszuspruch konnten Velvet Revolver zwar nicht verzeichnen, aber Scott Weilands Performance als Frontkämpfer in Sachen Vokalkünsten samt dazugehöriger Kopfbedeckung und vor allem natürlich Slash, der wie in seinen besten Tagen das Letzte aus seiner Gitarre herauskitzelte, vermochten auch jene zu begeistern, die bislang aufgrund überwiegend schlechter Kritiken diverser medialer Opinionleader erhebliche Skepsis gegenüber der Band hatten. Letztlich vermochte allerdings weniger das neue Material als vielmehr die Coverversionen zu überzeugen, darunter "Sex Type Thing" von Weilands einstiger musikalischer Heimat Stone Temple Pilots, das sicherlich viele dazu animiert haben dürfte, das dazugehörige Album "Core" wieder mal eingehend zu Gemüte zu führen.

So wie auch beim ersten Two Days A Week anno 1999 waren Offspring erneut Headliner eines Festivaltages, aber im Gegensatz zu damals wurde das obligate Greatest Hits-Programm ohne Überraschungen heruntergespielt, was aber der allgemeinen Begeisterung keinerlei Abbruch tat. Einziges Manko war der mit knapp über eine Stunde doch etwas kurz gehaltenen Reigen an altbekannten, für viele aber essentiellen Punkrockhymnen. Vereinzelte Kommentare der Marke "Wen interessieren eigentlich noch die alten Knacker von Offspring?" wurden zumindest für diese knappe Stunde vergessen.

Tag 2 -  Mittwoch, 25.08.2004

Regen. Schlamm. Feuchtes Gras. Kaputzenjacken sind nahezu ausverkauft, die Gratisleseproben von Gap, Slam und Standard finden reißenden Absatz, werden allerdings meist ungelesen als Sitzunterlage mißbraucht. So gesehen gut, daß noize.cc ein online-Magazin ist, daß man lesen muß. Ein in Memphis-Blau gewandetes Trio inkl. einer raffiniert dekoltierten Sexgranate lukrieren im Auftrag der Austria Tabak mittels einschlägiger Kostproben zukünftige Patienten für Lungenfachärzte. Die undankbaren Frühschoppenparts des zweiten Festivaltages werden Österreichs führenden Glamrocker Zeronic als auch Winson zuteil. Letzter ließ die allseits bekannte Frage, wovon der gute Peter nun eigentlich lebt, erneut unbeantwortet, stellte aber klar, dass er weit mehr zu bieten hat als diese eine Hitsingle, etwa mit „A Ecke O“ einen auf Festivals immer zugkräftigen Reggaetrack und mit "Liebeskummer is’ Luxus" nicht weniger als einen der unterhaltsamsten deutschsprachigen Popsongs des Jahres. Luxury You Can Affort auch in Zeiten von Hartz IV.

Weniger luxuriös in Sachen Originalität präsentierten sich dagegen die Zweitliga-Punkrocker Goldfinger, die mangels ansprechendem Songmaterial lediglich mit ihrem Shot To Fame, dem Nena-Cover von "99 Luftballons" punkten konnten und als Abwechslung zur üblichen Bush-Kritik auch den einstigen Stadionrocker und nunmehrigen Jagdfanatiker Ted Nugent aufs Korn nahmen.

So glanzlos Goldfinger agierten, so glanzvoll präsentierte sich Melissa auf der Maur mit ihrer Grunge-Brauchtumspflege und sicher nicht zufällig ging während ihres Gigs nach dem bis dahin andauernden Nieselregen die Sonne auf. Bekanntlich ist Melissa mit ihrer Hole- bzw. Smashing Pumpkins-Vergangenheit alles andere als eine Newcomerin im Rockbusiness und das gilt umso mehr für Urge Overkill. Deren Auftritt entfachte aber merklich weniger Begeisterung, so sehr sich auch die Alternative Rock-Veteranen ins Zeug legten, vielleicht klang ihr abschließendes "Girl You’ll Be A Woman Soon" deshalb irgendwie verbittert bis zornig.

Nach Offspring am Vortag waren Supergrass die zweite Band, die bereits beim ersten Two Days A Week anno 1999 in Wiesen gastierte. Auch hier wie dort ein äußerst unterhaltsames und stimmbandverschleißendes Greatest Hits-Programm, aber das auch aus guten Grund, schließlich feiert das Trio als eine der wenigen überlebenden Brit-Popbands aus jenen Tagen ihr zehntes  Bestandsjahr bzw. das zehnjährige Jubiläum der Veröffentlichung ihrer Debutsingle „Caught By The Fuzz“. Eben jenem Song wurde im Zuge eines kurzen Akustik-Intermezzos eine entsprechende Behandlung verpaßt, aber diesen Song ohne Fuzzgitarre zu hören ist etwa so wie Blurs „Song 2“ ohne „Whoo Hooo“, hier fehlt einfach Entscheidentes. Bei den anderen alten Hadern wie „Mansize Rooster“ oder „Strange Ones“ wurde aber wieder, so wie es sich gehört, elektrifiziert gerockt und das fast so enthusiastisch wie fünf Jahre davor. Fast deshalb, weil Sänger/Gitarrist Gaz durch eine Erkältung merklich gehandicapt war, was aber keinesfalls bedeutete, daß der Schongang eingelegt wurde. Als Extra wurde zu Beginn ihres Auftritts quasi als Gruß von Bill Gates minutenlang das Geheimnis gelüftet wurde, welches Betriebssystem die Band bei ihren Projektionen verwendet.

Für den ersten religiösen Bezug dieses Festivals sorgten Deus, deren Bandname ins Deutsche übersetzt schlicht "Gott" bedeutet, was gleichzeitig den Status der Band unter ihren Fans annähernd beschreibt und deshalb vielfach als eigentliche Headliner dieses Festivaltages betrachtet wurden. Viele, die vor dem Konzert diesen  Umstand nicht nachvollziehen konnten bzw. anzweifelten wurden von der fulmianten Show der Belgier eines Besseren belehrt, weshalb sich die Fangemeinde erheblich erweitert haben dürfte.

Ähnliches gelang auch den Kings Of Leon, deren Positionierung als Vizeheadliner des zweiten Festivaltages bei Manchen mangels oberflächlicher Vorkenntnisse zur Band etwas Unverständis hervorrief, sich aber letztlich als mehr als gerechtfertigt erwies. Der Bann aller fälschlicherweise vorgefaßten Vorbehalte wurde bereits mit den ersten beiden Songs "Red Morning Light" und "Molly's Chambers" gebrochen, die aufgrund ihres relativ häufigen Einsatzes bei FM4 vielfach den  „Ah, die sind das“-Effekt auslöste und wer sich in weiterer Folge nicht von der (wenn auch möglicherweise etwas unzureichend beschriebene) Kreuzung aus Stroke und Creedeece Clearwater Revival begeistern konnte und stattdessen in den Gourmetbereich des Festivalgeländes flüchtete, dem ist ohnehin nicht zu helfen.

Über Franz Ferdinand muß man eigentlich nicht viele Worte verlieren, der phänomenale und für alle Beteiligten, ob auf oder vor der Bühne, kräfteraubende Gig verdient das schlicht und ergreifend das Prädikat "Superfantastisch" und dürften letztendlich vieler jener Zweifler überzeugt haben, die dem Phänomen Franz Ferdinand bislang äußerst spektisch gegenüberstanden.

Tag 3 -  Donnerstag, 26.08.2004

Regen, Regen, Regen. Erste Anzeichen von Schnupfen und Erkältungen machen sich allgemein bemerkbar und werden in den nächsten Tagen vor allem in Ostösterreich den Konsum von Taschentüchern und diversen Erkältungsmitteln erheblich steigern. It's Frühschoppentime again, diesmal mit den immer äußerst unterhaltsamen Seesaw und den deutschen Garagenrockern Trashmonkeys, die im Gegensatz zu vielen stilverwandeten wie Hives, Jet oder wie sie alle heißen tatsächlich noch den echten Geist des 60er-Garagenpunk bewahrt haben. Hier wird nicht der Fundus der letzten 40 Jahre Rockgeschichte geplündert und mehr oder weniger ambitioniert zu einem neuen ganzen zusammengewürfelt, sondern neben überzeugend authentischen Eigenkompositionen auch das praktiziert, was in den 60ern zahllose Gitarrenbands rund um den Globus machten, nämlich essentielle Songs von Eckpfeilern des 60s-Rock/Beats zu covern. Im konkreten Fall waren es "I Need You" der Kinks und "I'm A Man" der Spencer Davis Group, die hier die meisten Anwesenden das erste Mal hörten und möglicherweise neben dem abschließenden Surfinstrumental Appetit auf mehr machten. Wer sich intensiver mit dieser Materie auseinandersetzen möchte, dem seien die leider viel zu schwer aufzutreibenden einschlägigen Compilationserien wie "Pebbles", "Highs In The Mid Sixties", "Garage Punk Unknowns", "Back From The Grave" oder "Mindrocker" ans Herz gelegt, denn hier wird tatsächlich der pure Stoff serviert und sicherlich wird man danach so manche hochgejubelte Neo-Garagenrockgötter mit völlig anderen Augen sehen.

"It's too early for us, we still should be in bed" meinte der Keyboarder von I Am X, dem Seitenprojekt von Sneaker Pimp Chris Corner und hatte damit natürlich völlig recht, denn dieser Gig war angesichts von Corners hoher Popularität bei den österreichischen Fans eigentlich viel zu früh angesetzt, was jene natürlich keineswegs davon abhielt, zahlreich zu erschienen. Im Vergleich zum Gastspiel im Wiener Flex im letzten Frühjahr war zunächst eine deutlich optische Veränderung erkennbar und die betraf die Dame am Keyboard (gerüchteweise Corners bessere Hälfte) ihr konservatives Büro-Schicksen-Outfit abgelegt und turnte stattdessen in einem schrillen Gymnastikanzug auf der Bühne herum. Ansonsten wie gehabt Auszüge aus dem Album „ Kiss + Swallow“, den dazugehörigen Videoprojektionen, Publikumskaraoke bei „Missile“ und eifriger Konsum von Sekt und Rotwein. Soweit die Papierform, aber die Technik machte einem reibungslosen Ablauf  einen kräftigen Strich durch die Rechnung. Irgendwann machten sich elektronische Störungen bemerkbar, wie sie normalerweise  deutsche Elektroniker gerne hinkriegen würden, die schließlich ihren Höhepunkt bei „Your Joy Is My Low“ erreichten und so den Track unfreiwillig zur extended Version stretchten, was der allgemeinen Begeisterung natürlich keinerlei Abbruch tat.

Keine Pannen hingegen bei den immer famosen britischen Neo-Folkmelancholikern I Am Kloot, weil hier keine Elektronik im Spiel war, sondern nur Gitarre, Baß, Schlagzeug, gediegenes Songwriting  und eine Egger Bier-Kiste als Fußstütze, ein angesichts des Hauptsponsors Zipfer Bier ein nicht uninteressanter Umstand.

Weit weniger interessant dagegen The Wohlstandskinder mit unspektakulären und zielgruppengerechten Punkrock, der eigentlich keine nähere Betrachtung verdient, deshalb  wenden wir uns besser Erfreulicherem zu, nämlich Sarah Bettens, vormals eine Hälfte von K's Choice. Ihr Solodebut vermochte wie nicht anders zu erwarten mehr als zu überzeugen und spätestens als sie K's Choice-Klassiker wie "Not An Addict" anstimmte konnte man gar nicht anders als sich zum Sarah Bettens-Addict zu bekennen.

Danach stand das Gespann Mike Patton & Rahzel am Programm, das scheinbar die Festivalgäste  in Patton-Befürworter und Patton-Skeptiker teilte. Zu letzteren zählte sich (leider) der Schreiber dieser Zeilen und zog deshalb ein gemütliches Plauderstündchen im Gourmetbereich des Festivalgeländes dem Auftritt des umtriebigen Ex-Faith No More-Masterminds vor. Ein schwerwiegender Fehler, wie sich herausstellen sollte, denn Augen- und Ohrenzeugen berichteten danach begeistert von wundersamen Exkursionen ins Reich der Beatbox und Variationen an dem Tempations-Masterpiece "Papa Was A Rolling Stone" oder "Seven Nation Army" von den White Stripes. Was man da nun tatsächlich nun alles versäumt hatte konnte man glücklicherweise dank der FM4-Show "Tribe Vibes" nachhören, die genau eine Woche später den gesamten Mitschinitt dieses denkwürdigen Events ausstrahlte: Atemberaubende Beatbox-Akrobatik von Rahzel, neben den zuvor genannten Titeln auch Improvisationen zu "You're All I Need To Get By" (im Original von Marvin Gaye & Tammi Terrell, 1995 reaktiviert von Method Man & Mary J. Blige) und Ushers "Oh Yeah" und als Höhepunkt drehte Mike Patton einfach kurz den Radio auf. Was man dann zu hören bekam war wahrlich nichts für starke Nerven, denn offenbar erwischte Patton Radio Burgenland und so konnte man erstmals in Wiesen keinen Geringeren als Volksmusik-Sunnyboy Patrick Linder lauschen! This is hardcore...

Keinerlei Überraschungen gibt es über Eric Schrody alias Everlast zu vermelden. Die einzigen wirklichen Höhepunkte seines Gigs waren seine Evergreens "What's It Like" und "Ants" als auch leider viel zu kurz angespielten House Of Pain Oldies "Jump Around", das neue Material konnte trotz gut eingespielter Backingband nicht begeistern.

Zum Grande Finale des Two Days A Week erteilten Muse mit einer großartigen Inszenierung inkl. Papierschnitzelregen gemäß dem Titel ihres jüngsten Albums ihren Fans die Absolution und das war angesichts der vielen kleinen oder gar großen Sünden, die sich so mancher Festivalbesucher zu Schulden hatte kommen lassen, bitter nötig.

"They say I was in Wiesen but I can't remember" prangte auf einem T-Shirt, daß ich beim Verlassen des Festivalgeländes erspähte. Angesichts dieser 3 bemerkenswerten und intensiven Tage wäre das wohl mehr als bedauerlich.