Mittwoch, 18. August 1999

TWO DAYS A WEEK 99, Wiesen, 18./19.August 1999

(Rezension aus 1999)


 1999 war in vielfacher Hinsicht ein bemerkenswertes Jahr: Die Angst vor dem Millenium-Bug trieb die seltsamsten Blüten, die Sonnenfinsternis warf schon Monate davor ihre Schatten weit voraus und in Österreich wollte man mit "Woodstock 99" neue Maßstäbe in Sachen Festival setzen.

Austragungsort sollte das Flugfeld in Wiener Neustadt sein, das davor Pink Floyd, die Rolling Stones oder U2 bespielten und 2004/05 mit dem "Aerodrome" eine kurze Renaissance erlebte. Trotz angekündigter Topacts wie Metallica kamen aufgrund des schleppenden Kartenvorverkaufs sowohl "Woodstock 99" als auch das als Ersatz geplante „Sundance 99“ allerdings nicht zustande. Glücklicherweise setze sich dieser Trend nicht bei den Festivals in Wiesen fort, wo neben dem mittlerweile traditionellen Forestglade auch erstmals das "Two Days A Week" (für Akronym-Freaks auch bekannt als 2DAW) veranstaltet wurde.

Nachträglich muss man eigentlich froh sein, dass "Woodstock 99" in den USA stattfand, denn dieses Großereignis endete, mittlerweile freilich längst vergessen bzw. verdrängt, in Chaos und Anarchie. Das Inferno begann bezeichnenderweise mit dem Auftritt der Red Hot Chili Peppers, die auch als Headliner beim 2DAW gastieren sollten. Da aber von den bekanntermaßen doch zivilisierten österreichischen Musikfans derartige Tumulte eher nicht zu erwarten waren und auch die anderen angekündigten Bands ein tolles Line-Up versprachen war es eigentlich unumgänglich, sich einen 2-Tages-Paß zuzulegen.

Tag 1

Die Ehre, das 2DAW eröffnen zu dürfen wurde den damals noch völlig unbekannten Garish zuteil, an deren Auftritt sich angesichts der frühen Stunde wohl nur mehr die Bandmitglieder erinnern dürften. Die südburgenländischen Schwermetaller Cameran überraschten mit einer Show, die ihren unbestreitbaren Vorbildern Korn durchaus um nichts nachstand. Als eigentliche Überraschung des ersten Festivaltages entpuppten sich allerdings die Briten Dark Star, die mit ihrem irgendwo zwischen Radiohead und Soundgarden einzustufenden Soundmix vermutlich etliche Festivalbesucher dazu bewogen haben, sich ihr feines Album "Twenty Twenty Sound" zuzulegen. Stimmungsschwankungen verursachten hingegen die britischen Folkrocker Levellers mit ihrer mäßig spannenden Mischung aus Folk und Britpop, die erst bekömmlicher wurde, als sich ein Didgeridoo-Spieler dazugesellte und härtere Klänge angeschlagen wurden.

Nach längerem Soundcheck und einer stolzen Ankündigung des Veranstalters ("Mir san sold out!") sorgten Supergrass mit ihren Britpop/Punkrock-Großtaten „Caught By The Fuzz“, „Mansize Rooster“, "Alright" oder "Sun Hits The Sky" als auch etlichen delikaten Kostproben aus ihrem damals eben erschienen selbstbetitelten Album für den ersten wirklichen Höhepunkt und damit nebenbei auch für die perfekte Einstimmung auf die allseits mit Spannung erwarteten Red Hot Chili Peppers

Die hohen Erwartungen wurden noch übertroffen, denn Anthony Kiedis & Co. begeisterten mit merklicher Spielfreude über 80 Minuten großteils mit dem exzellenten Songmaterial ihrer Alben "Blood Sugar Sex Magik" und "Californication", wobei Gitarrist John Frusciante die Songs phasenweise mit Improvisationen würzte, was die Wirkung von Hymnen wie "Give It Away" oder "Around The World" erheblich steigerte. Da konnte man auch verschmerzen, dass bei "Under The Bridge" hunderte Feuerzeuge das Festivalgelände in ein Lichtermeer tauchten und damit fast schon für eine Band dies Genres eine völlig ungewohnte Stimmung aufkam, die man eher bei Boygroup-Konzerten oder erwarten würde.

Tag 2

Der zweite Festivaltag begann mit den Tiroler Crossover-Heroen Schneiderberg, die angesichts der frühen Beginnzeit fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit spielten. Ähnliches gilt für die Formation Rosarot, die sich offenbar als österreichisches Pendant zu Bands der Hamburger Schule verstanden, aber aufgrund einer massiven Überdosis an Pathos als auch der übertriebenen Inbrunst des Sängers kläglich scheiterten und so eher für unfreiwillige Komik sorgten.

Die US-Punkrocker Lit sollten laut den Tourdaten auf ihrer Homepage auf dem "Weisen Open Air in Vienna" spielen, hatten aber glücklicherweise doch noch nach Wiesen gefunden, wo sie ihr hierzulande völlig untergegangenes Album „A Place In The Sun“ präsentierten. Rückblickend ist es eigentlich kaum verständlich, dass sich die Band trotz ihres unbestreitbaren Potentials lediglich im kurzlebigen Erfolg ihres einzigen Hits „My Own Worst Enemy“ sonnen durfte.

Weitaus beständiger ist bekanntlich die Karriere von Tocotronic, die nach anfänglichen Tonproblemen den Titel ihres damals gerade aktuellen Hits "Let There Be Rock“ dank ihrer unschlagbaren Hymnen wie „Sie wollen uns erzählen“ oder „Jackpot“ beeindruckend umsetzten und für Begeisterung sorgten.

Weit weniger Publikumszuspruch hatte hingegen die leider viel zu früh verstorbenen Ex-Clash-Legende Joe Strummer und seine Band Mescaleros. Offenbar wusste die Generation der nach 1980 Geborenen, die an diesem Tag überproportional vertreten war, nicht um die richtungsweisende Bedeutung von The Clash, weshalb sich viele stattdessen eine Erfrischungs- oder Erleichterungspause gönnten. Der Zuschauerschwund ging sogar so weit, dass der Veranstalter die Besucher ersuchen musste, etwas zahlreicher zur Bühne zu kommen. Wer dieser Aufforderung nachkam belohnte ein trotz (oder genau wegen) der schütteren Kulisse groß aufspielender Joe Strummer mit Songs aus seinem sträflicherweise unterschätzen Album “Rock Art And The X-Ray Style" und natürlich den unvermeidlichen Clash-Klassikern "London Calling" oder "Rock The Casbah"

Nach dieser Lektion in Sachen klassischer Punk fand die New School of Punk, die Offspring danach inszenierten, ungleich mehr Zuspruch. Bevor es allerdings soweit war musste man einen schier endlosen Soundcheck über sich ergehen lassen, ehe man zu den unschlagbaren Mitsinghymnen wie "All I Want", "Pretty Fly“ oder „Gone Away“ mitgröhlen konnte. Zwischendurch lieferten Offspring einige Überraschungen, etwa einen Kurzauftritt der als Special Guests (wenn auch glücklicherweise nur als Puppen) rekrutierten Backstreet Boys.

„Feelings, for all my life I'll feel it.“ heißt es in der Punkversion der Morris Albert-Schnulze "Feelings", mit der Offspring für einen stimmungsvollen Ausklang des zweiten Festivaltages sorgten und treffender kann man die die in jeder Hinsicht gelungene erste Auflage des 2DAW gar nicht umschreiben. Angesichts des üppigen Line-Ups war es für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Musikfans die Festival-Premiere und deshalb werden es viele nie vergessen.